„Dortmund“, sagt der Taxifahrer, „musst Du Dir so vorstellen. Wenn Du einen Menschen aus dem Süden in den Norden fährst, will der den Wagen verriegeln und sagt: Schlimm hier, überall Kriminelle. Wenn Du einen aus dem Norden in den Süden fährst, guckt der aus dem Fenster und sagt: Krass hier, überall Geld.“
In Dortmund leben viele Menschen von Hartz IV – besonders betroffen sind Kinder. Das hat Gründe.
Geld stinkt oder stinkt nicht, aber Armut kann man riechen. Wenn man nahe genug rangeht.
Es müffelt ein bisschen in der Kirche St. Michael an diesem Donnerstag Anfang Februar. Das Thema der Andacht ist „Karneval – Licht und Freude in die Welt bringen“. Als erstes also Lied Nr. 455, „Alles meinem Gott zu Ehren“.
Die Frau mit der Trompete vorne rechts bläst die Melodie, die beiden pensionierten Pfarrer vorne links singen am lautesten mit. Ein paar Frauen leise und Uwe hat Kopfhörer im Ohr. Er hört gerne die Band „Böhse Onkelz“, was hier keinen stört, es ist eine Andachtsfeier für Obdachlose.
Einige haben ihr Hab und Gut in überdimensionalen Plastiktüten mitgebracht. Die kräftigen Dinger, die eher an Plane denn an Tüte erinnern, stehen hier hoch im Kurs. Auf einer steht: „Heimat neu entdecken“, in ihr stecken leere Pfandflaschen. Unter anderem.
Die Andachtsfeier zieht ihr Zielpublikum, weil es anschließend etwas zu essen gibt. Die Veranstaltung findet alle zwei Wochen statt. Immer an einem Donnerstag, und wie voll es wird, hängt oft damit zusammen, wie weit der Monat bereits fortgeschritten ist: Zum Monatsende kommen mehr. Die Kirchenanlage liegt in der Westerbleichstraße in der Nordstadt. Heute sind es 70, vielleicht 80, die gekommen sind.
Wer Heimat neu entdecken will, kann hierher kommen. Nur ist das, was es zu sehen gibt, keine blühende Landschaft wie auf der Discountertüte. Willkommen auf dem Planeten Armut.
Dortmund ist arm. Steht ja überall geschrieben.
„Armutsquote in Duisburg und Dortmund dramatisch“ (Welt)
„Region Dortmund in NRW am meisten von Armut bedroht“ (Westfalenpost)
„Alarm im Ghetto Dortmund-Nord“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
„Zahl der Obdachlosen steigt“ (Ruhr Nachrichten)
Aber auch wenn es überall geschrieben steht, muss man differenzieren: Nicht Dortmund ist arm, es sind Viertel der Stadt, die sehr arm sind. Selbst wenn man Armut in der ganzen Innenstadt sehen kann: Bettler, Pfandflaschensammler, die die Mülleimer unter sich aufgeteilt haben. Menschen, die in Eingängen schlafen. Das sind die offenkundigen Zeichen.
Daniel Schwarzmann ist seit zweieinhalb Jahren Obdachlosenseelsorger in Dortmund. Sein Vorgänger sprach ihn an, er hatte den Job 15 Jahre lang gemacht. Es fand sich zuvor länger niemand, der dieses Amt übernehmen wollte, begehrte Stellen sehen anders aus. Schwarzmann nahm dann die Stelle an, er sagt heute, „das Abenteuer der direkten Nachfolge Jesu Christi“ habe ihn gereizt.
Auf was er sich einließ, das wusste er damals nicht. Und verstand auch nicht, was sein Vorgänger ihm sagen wollte, als er ihm direkt am Anfang ein Nietzsche-Zitat mit auf den Weg gab: „Wenn Du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in Dich hinein.“ In seiner ersten Sprechstunde kam dann eine Frau zu ihm. Ihr Freund, sagte die Frau, sei gestern auf dem Nordmarkt abgestochen worden. Schwarzmann sagt heute, nach zweieinhalb Jahren im Amt, er betreibe Seelsorge am Abgrund.
Der Abgrund in nackten Zahlen: Im September 2016 lebten in Dortmund 86 361 Menschen von Hartz IV. Das sind rund 14 Prozent der Gesamtbevölkerung. Dramatisch ist die Zahl der betroffenen Kinder: 30,3 Prozent der Menschen, die jünger sind als 18 Jahre, leben in Familien, die Hartz IV beziehen. Das sind rund 28 000 Kinder und Jugendliche.
Aber Zahlen sind abstrakt. Und nicht vollständig: Die Zahl der Kinder, die in Dortmund in Armut aufwachsen, ist höher als 28 000. Sagt Martina Furlan, Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes. Denn nicht eingerechnet sind die Kinder, die in Familien leben, die ergänzende Leistungen beziehen. Und Familien, die so gerade eben aus staatlichen Unterstützungen herausfallen. Wie viele das sind? Unklar, aber mehrere Tausend Kinder und Jugendliche dürften noch dazugerechnet werden.
Schwarzmann ist Obdachlosenseelsorger, was nicht bedeutet, dass er sich nur um Obdachlose kümmert. Von denen gibt es Schätzungen zufolge 600 in der Stadt. Genau weiß das keiner, es gibt nur Schätzungen. Es gibt auch keine Bundesstatistik, es gibt nur einen Trend. Und demzufolge ist die Zahl der Obdachlosen in Deutschland seit 2010 um 35 Prozent gestiegen.
Der Seelsorger beobachtet im Moment auch einen Anstieg: Er meint, immer mehr obdachlose Polen wahrzunehmen. Was ja auch einleuchtend ist: Besser obdachlos in Deutschland als in Polen.
Bernd ist keiner von ihnen. Er hat, soweit man das von außen beurteilen kann, ein gutes Leben. Lange Berufsjahre bei der Deutschen Bahn, jetzt ist er Rentner. Bernd ist 68 Jahre alt und alle zwei Wochen kommt er aus Körne nach St. Michael. Sie feiern dann hier in der Westerbleichstraße die Andacht, danach gibt es Essen, meist eine ordentliche Suppe aus dem Pfefferkorn. Später noch einen Nachtisch, Kuchen von Böhmer, anschließend aufräumen und dann war es das.
Er wollte, sagt Bernd, gerne etwas tun, so wie es viele machen, die sich in Dortmund engagieren. Wenn man Bernd fragt, was seine Arbeit mit ihm macht, dann sagt er: „Nachdenklich“. Dann schweigt er kurz, während er eine Apfelschorle ausschenkt, und setzt dann fort: „Satt kriegen wir sie. Aber ihre Probleme lösen können wir nicht.“
Probleme haben sie, die hierher kommen, alle.
Der Mann, der seinen Partner verlor und dann abrutschte.
Die kleine Frau, die sich sowohl in der Kirche als auch im Pfarrheim am Rand rumdrückt und deren Blick in Bänden spricht, dass sie sich hier nicht wohlfühlt.
Oder Stephan. Abgebrochener Student, wacher Blick, langes Haar. Stephan ist 37, sieht aus wie 47, und wenn man ihm das sagt, guckt er überrascht. Als hätte er das noch nie gehört. Oder länger nicht in den Spiegel geschaut. Dass man von der Zeitung kommt, findet er interessant, schreiben, das könnte er sich auch vorstellen. Kurzgeschichten, einfach nur das, was um ihn herum passiert.
Kostproben?
Zum Beispiel der Kumpel aus Scharnhorst, der Geld brauchte und dann die Heizkörper in der Mietwohnung abkloppte und zum Altmetallhändler brachte. Das war im Sommer. Was macht er jetzt? Vielleicht lebt er ja auch nicht mehr, hatte ein Drogenproblem.
Oder Peter, den sie alle „Peter aus Peters Welt“ nennen würden, der sei nämlich echt schräg drauf, was hier, wo die Norm verschwimmt, etwas heißen soll. Peter hatte, als er mal richtig dringend Geld brauchte, inseriert. „Renovierungs- und Hausmeistertätigkeiten“, in der Anzeige stand dann noch was von „Büro am Borsigplatz“ und einer Festnetznummer. Peter stand dann in der Telefonzelle am Borsigplatz und wartete auf Anrufe. Wenn einer anrief, fuhr Peter dahin, nahm eine Anzahlung und verschwand. Es war ein kurzlebiges Geschäftsmodell.
Bernd, der alte Bahner, weiß nicht, ob das, was er tut, richtig ist. Aber es gibt ihm ein gutes Gefühl, etwas zu tun zu haben und dabei Menschen zu helfen. Die Debatte, ob Tafeln, die von Ehrenamtlern getragen werden, eher den Menschen helfen, satt zu werden, oder dem Staat, Aufgaben nicht mehr zu erfüllen, ist so alt wie die Tafeln selbst. Aber ohne sie blieben viele Bäuche leer. Im Gasthaus will Bernd seine ehrenamtliche Arbeit nicht tun, das sei ihm zu groß, zu voll, zu unpersönlich.
Das Gasthaus heißt präzise „Gast-Haus statt Bank“, es ist eine ökumenische Wohnungsloseninitiative, die vor 21 Jahren gegründet wurde und ihre Räume an der Rheinischen Straße hat. 2016 hatte das Gasthaus 105 000 Gäste, 140 ehrenamtliche Mitarbeiter arbeiteten dort gemeinsam 15 000 Stunden. Damit ist die Initiative am Limit.
Werner Lauterborn, Vorsitzender des Vereins „Gast-Haus“, ist „sehr froh, dass nur selten Familien mit Kindern unser Angebot in Anspruch nehmen müssen. Die Personen, die zu uns kommen, sind Wohnungslose und Menschen am Rande der Armutsgrenze, die sich fast alle im erwachsenen Alter befinden.“
Vor Kurzem hat der 36-jährige Schwarzmann einen Anruf erhalten, am anderen Ende der Leitung war ein 14-jähriges Mädchen. Sie rief wegen ihrer Schwester an, neun Jahre alt, die friere auf dem Schulweg immer und habe keine Winterjacke. Das Mädchen hatte auch keine Winterschuhe, dafür einen Vater, der im Gefängnis sitzt und eine Mutter, die kifft und ihren Fernseher alle zwei Monate ins Pfandleihhaus trägt. Schwarzmann hat den Fernseher ein-, zweimal ausgelöst, heute macht er das nicht mehr.
Er denkt, dass die Armut, die er sieht, wenn im Pfarrsaal der St.-Michael-Kirche zu Tisch gebeten wird, die sichtbare Armut ist. Die andere, noch größere, ist die versteckte. Denn den Menschen auf der Straße sieht man im Vorbeigehen nicht unbedingt an, was bei ihnen daheim los. Im Kühlschrank. Im Kleiderschrank. Auf dem Konto oder im Kopf.
Schwarzmann sieht mehr, wenn er in Häuser geht, deren Türen normalerweise verschlossen bleiben. Das kann in der Nordstadt sein, aber auch in Eving, wo es Kinder gibt, die auf dem Fußboden schlafen. Sie haben nicht nur kein Bett, sie haben auch keine Matratze. Rund 15 solcher Fälle gibt es, die Schwarzmann selbst gesehen hat.
Wenn ein Kind keinen Platz zum Schlafen hat, wo macht es dann seine Hausaufgaben?
Natürlich, anderswo verhungern Menschen und haben andere Probleme als eine fehlende Matratze, kann man einwenden – aber was hilft einem Kind ein solcher Vergleich, das in derartigen Verhältnissen groß wird?
Und das annehmen muss, dass so ein Leben ein normales Leben ist. Dass Armut immer relativ ist, weiß auch Martina Furlan. Sie arbeitet seit zwölf Jahren beim Kinderschutzbund. Gerade Kinder brauchen, sagt sie, „für eine Teilhabe an der Gesellschaft mehr Dinge, als nicht zu verhungern“. Neben Kleidung und Spielsachen seien das auch Dinge aus Kunst und Kultur.
Wer nicht die Möglichkeit hat, seinen Horizont zu erweitern und Möglichkeiten zu entdecken, woher soll der wissen, was ein Leben lebenswert macht? Die Frage sei doch, sagt Furlan, wie man sozialisiert werde. Wenn zum Beispiel ein Kind maximal McDonalds kennengelernt habe, wo man die Fritten mit den Händen isst, würde das, wenn es später einmal in einem Restaurant sitzt, sich dort nicht wohlfühlen und nicht klarkommen.
Bei Springer, einem Wissenschaftsverlag, erschien vor Kurzem das „Jahrbuch Stadterneuerung 2016“, das sich mit Stadterneuerung und Armut in verschiedenen Städten auseinandersetzt, Dortmund kam mit zwei Kapiteln vor. Eins beschäftigte sich mit der Armutszuwanderung, das andere mit Bildungsungleichheiten in Dortmund. Beide sind lesenswert, das letztere kommt zu dem Schluss, dass es einen sich verstärkenden Wettbewerb um die „richtige Schule“ gibt.
Menschen, denen ihre Kinder etwas bedeuten und die es sich leisten können, verlassen arme Stadtteile. Was wiederum zu einer „Entmischung von Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft“ führt, was „Bildungsbenachteiligung oftmals verstärkt und soziale Benachteiligung damit reproduziert“.
Anders formuliert: Armut konzentriert und manifestiert sich. Wer kann, zieht weg. Wer nicht kann, kommt nicht raus.
Die Kirche von Schwarzmann bietet in den Herbstferien für benachteiligte Kinder Freizeiten an, die nächste Tour 2017 soll nach Helgoland gehen. 2016 waren sie mit 15 Jugendlichen in Graal-Müritz an der Ostsee. Bei diesen Touren sehen viele zum ersten Mal das Meer, aber nicht alle Kinder können mitfahren, weil sich ihre Eltern den Eigenanteil von 50 Euro für eine Woche nicht leisten können.
Mit diesen Kindern wurden in der Vergangenheit kostenlose Ausflüge in die nähere Umgebung gemacht, einmal ging es ins benachbarte Bochum an den Kemnader Stausee. Ein Kind stand dann also mit anderen Kindern und Pfarrer Schwarzmann an dem See und staunte mit offenen Mund, als es die Wasserfläche sah: Einen See hatte es noch nie gesehen und wollte wissen, was das ist.
Bernd lebt zeit seines Lebens in Dortmund. Dass der Norden arm ist und der Süden reich, das war schon immer so. Aber wenn er sich aus Körne auf den Weg macht, sieht er zunehmend Müll und Armut und glaubt festzustellen, dass die Bedingungen härter geworden sind. Einwanderung nach Dortmund hat es schon immer gegeben und wer ankommt und wenig hat, der geht in den Norden.
Aber es hat sich etwas verändert: Die Menschen, die als Gastarbeiter gerufen wurden und kamen, hatten, da sie gebraucht wurden, einen Job und damit eine Perspektive. Abgesehen davon, dass Arbeit auch integriert. Mit dem Zuzug in den letzten Jahren aber verhält es sich anders. Da kamen einerseits die Armutsmi-granten aus Südosteuropa und danach die Flüchtlinge – die Chancen dieser Menschen auf einen auskömmlichen Job sind, gelinde gesagt, gering. „Es fehlen“, heißt es aus dem Jobcenter, „Arbeitsplätze für gering qualifizierte Personen“.
Und noch ein Gedanke stimmt für die Zukunft pessimistisch: Wenn Menschen nach Deutschland kommen und sich in der Nordstadt ansiedeln, wen treffen sie dann als deutsche Nachbarn an? Arme Menschen, süchtige Menschen, Männer, die Gewalt gegen ihre Frauen anwenden, und Kinder, die nicht sauber sind. Diese Menschen sind für sie „deutsch“, „Du Deutscher“ wird zu einem Schimpfwort. So beschreibt es ein im Norden tätiger Lehrer.
Die andere Möglichkeit, die sich daraus ergibt, ist, dass solche vorgelebten Beispiele ein Leitfaden sind, wie das Leben in Deutschland funktioniert. Man kann es drehen und wenden, wie man will, wenn es so bleibt, hat es etwas von der Wahl zwischen Pest und Cholera.
Der Obdachlosenseelsorger sagt, dass es auch überdachte Obdachlosigkeit gebe, womit er nicht die acht Männer meint, die hinter Hornbach in Zelten schlafen. Er meint Wohnungen, die in einem desaströsen Zustand sind, Messie-Buden, wo vieles drin steht, aber nichts so, dass man es gebrauchen kann. Haben statt sein.
Oder diese Wohnung im Brunnenstraßenviertel, wo das hintere Fenster aufgebrochen ist und der Wohnungsinhaber, der sein Leben schon länger nicht mehr unter Kontrolle hat, morgens wach wird und Menschen in seiner Wohnung findet, die am Abend noch nicht da waren. Gelebt werden statt leben.
Schwarzmann empfindet die Grundfarben der Stadt inzwischen eher als grau und schwarz.
Dass Familien Geld fehlt, dafür gibt es vor allen Dingen zwei Gründe: Zu wenig Geld durch prekäre Arbeitsverhältnisse steht an erster Stelle, dicht gefolgt von Alleinerziehenden. 89 Prozent von ihnen sind Mütter. Das Armutsrisiko für Kinder von Alleinerziehenden ist in den vergangenen zehn Jahren um sieben Prozent gestiegen. Bei drei von vier Kindern kommt kein oder nur sehr wenig Unterhalt an. Das sind Zahlen der Bertelsmann-Stiftung. Und sie decken sich mit der Realität in Schwarzmanns Nordstadt.
Wenn er sich in solchen Fällen engagiert, kommt es manchmal zu einem für einen katholischen Pfarrer nicht unerheblichen Problem: In seinem Engagement wird er als männliche Person wahrgenommen, die sich uneigennützig kümmert und auch helfen kann. Dann kann es vorkommen, dass Daniel Schwarzmann aus St. Michael zu Pater Ralph aus den „Dornenvögeln“ für Arme wird. Frauen fühlen sich mehr zu ihm hingezogen, als es gut wäre.
Wenn Schwarzmann dann solche Gefühle zurückweist, kann es vorkommen, dass er beschimpft wird. Als sich so etwas zum ersten Mal ereignete, war er noch perplex – inzwischen kann er Zeichen besser deuten.
Eine Jacke besorgen, Winterschuhe, gespendete Gelder weiterreichen, das sind Dinge, die er machen kann. Und die immer nur einen Moment helfen, eine einzelne Situation kurzfristig verbessern können. Wenn er über andere Lösungsansätze nachdenkt, dann fällt ihm zunächst ein Zitat ein: Der Mensch ändert sich aus Verzweiflung oder aus Liebe. Stabile Partnerschaften könnten Menschen helfen. Oder die pure Verzweiflung, wenn sie auf dem Boden aufgeschlagen sind.
Gesellschaftliche Lösungsansätze gegen Armut hat der Obdachlosenseelsorger aber auch einige: So sei die Versorgung der Obdachlosen in Dortmund nicht optimal. Man bräuchte eine innenstadtnähere Unterbringungsmöglichkeit für Obdachlose neben der Notunterkunft in der Unionstraße. So seien die Wohnungen im Grevendicks Feld zu weit außerhalb gelegen.
Schwarzmann schwebt vor, aus der St.-Michael-Kirche ein Altenheim für Obdachlose zu machen. Auch müssten bestehende Hilfsangebote, die es ja bereits gibt, besser miteinander vernetzt werden. Zuallererst aber müsse „die Ghettostruktur, die wir hier in der Nordstadt haben, durchbrochen werden.“ Ach ja, und eins noch: „Wir müssen uns jetzt Gedanken über den kommenden Winter machen. Nicht erst im Herbst 2017, wenn sich die Politik meldet.“
Auch Martina Furlan vom Kinderschutzbund glaubt, dass die bestehenden Hilfsangebote, sei es „Nordwärts“ von der Stadt oder „Kein Kind zurücklassen“ von der Landesregierung, zu einem Stück weit ankommen – es aber mehr brauche. Für die Kinder müssten Bildung und Teilhabe besser organisiert werden. Langfristig müssten Familien und Alleinerziehende gestärkt werden. Es gebe Schritte in die richtige Richtung, etwa einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Aber schon für die Jüngsten müsste es Betreuungsangebote geben. Eben damit sie sozialisiert werden können. Wer das bezahlen soll? Im Zweifel der Staat, das Land und die Kommune.
Denn wenn man die Rechnung aufmacht, was wohl billiger kommt, die Frühförderung, die ein geregeltes Leben ermöglicht, oder Sozialleistungen ein Leben lang, aus denen dann wiederum Sozialleistungsempfänger hervorgehen, dann kann es für die über 30 000 Kinder, die Hilfe brauchen, nur einen Weg geben.
Unten bleiben sie von ganz alleine